Früh zu Bett, früh wieder auf den Beinen: nachdem am Vorabend in Hohnstein die Bordsteine unter unseren Füßen hochgeklappt wurden und nirgendwo mehr ein Bier aufzutreiben war, lagen wir früh in den Betten in unserem Burgzimmer. Irgendwann nachts stand ich auf um das Fenster zuzumachen, nachdem es draussen schon wieder regnete. Der Blick aus dem Fenster nach dem Aufstehen offenbarte auch grau in grau. Wird’s halt wieder nass, dachten wir. Ein Jugendherbergs-Frühstück später sattelten wir die im Burghof geparkten Stahlrösser und ritten durchs Burgtor hinaus in den letzten Tourtag.
Als erstes erwartete uns eine Runde um den Deutschlandring. Leider nicht in seiner kompletten Länge, denn der Aufstieg zwischen Polenztal und Hockstein ist am Wochenende für Motorradfahrer gesperrt. Also bogen wir rechts ab Richtung Heeselicht und fuhren wir uns etwas warm auf den langgezogenen Landstrassenkurven. Hinter Heeselicht orientierten wir uns entlang der Streckenführung der alten Rennstrecke südwarts und das aufklarende Wetter bot uns einen tollen Blick aus der Sächsischen Schweiz Richtung Erzgebirge. Warum hatten wir nochmals in vorauseilendem Gehorsam gleich zur Abfahrt die Regenklamotten angelegt? Kurz hinter Pirna hielten wir nochmal an und pellten uns wieder aus.
Nach Überquerung der A17 fuhren wir ins Seidewitztal ein und folgten dem mäandrierendem Flusslauf bergauf. Ein kleines Stück durchs Müglitztal weiter führte uns dann nach Glashütte. Die Wirtschaftskraft der örtlichen Uhrenfabrik spiegelt sich deutlich im Ortsbild wieder. Natürlich befindet sich hier im Ort auch das deutsche Uhrenmuseum, wo sonst sollte es beheimatet sein.
Der Tag begann, wie der gestrige geendet hatte: mit dem Blick auf das Regenradar und auf diverse Wetter-Apps. Unser Urteil fiel unterschiedlich aus: Thomas fuhr erstmal so los, ich pellte mich schon in meine Regenklamotte.
Nach den ersten Landstrassenkilometern bogen wir in Mühltroff auf kleine und kleinste Sträßchen durchs Vogtland ab. Schönberg, Rodau, Tobertitz, Bösenbrunn und Triebel hiessen die Dörfer, die wir passierten. Zwischendrin schöne, hügelige Landschaften, regennasse Felder und leider grauer Himmel.
Meine Tankleuchte hatte bereits beim Losfahren geblinkt, aber wenn man so durchs Hinterland fährt wie wir, sind die Tankstellen spärlich gesät. Erst in Schöneck fanden wir eine, worüber ich sehr dankbar war, da ich nur noch für ca. 20km Sprit im Tank hatte. Thomas warf sich hier auch seine Latexpelle aka Regenklamotte an, da der Himmel nichts gutes verhieß.
Das tschechische Erzgebirge
Über Tannenbergsthal und Mühlleiten erreichten wir in Sachsenberg-Georgenthal die tschechische Grenze. Der Grenzübergang kam sehr überraschend, wir fuhren durch ein Wohngebiet, das Navi hieß uns links abbiegen und schwupps, waren wir in Tschechien.
Über schmale, kurvenreiche Sträßchen mäandrierten wir uns durch das Westerzgebirge bevor wir bei Rolava eine moorige Hochebene erreichten (Frühbußer Heide), die an die schottischen Highlands erinnerte. Und genau das mag ich so sehr an der Tschechei: während sich unweit auf der deutschen Seite Städtchen an Städtchen reiht, bist Du hier in einer komplett anderen Welt. Viel weniger Zivilisation, dafür viel mehr Natur.
Zu unserem Leidwesen wurde die Natur sehr fleißig von Petrus gegossen, je weiter wir fuhren desto mehr regnete es. Über Nové Hamry, Horní Blatná und Pernink näherten wir uns dem höchsten Punkt der Tour, dem Klínovec. Er ist mit 1.243m die höchste Erhebung des Erzgebirges und überragt damit seinen deutschen Nachbarn Fichtelberg um gut 30 Meter. An Fernblick war nicht zu denken, denn mit jedem erklommenen Höhenmeter regnete es stärker und der Wind nahm deutlich zu. Oben angekommen war das Thermometer auf 9 Grad gesunken und es regnete quer. Das scheint unser Schicksal mit tschechischen Bergen zu sein, bereits 2013 erging es uns auf dem Ještěd exakt gleich.
Auf den 1.600 Kilometern der Mittelgebirgstour hatten wir sehr viel schöne Streckenabschnitte. Über 90% der Strecke fuhr ich das erste Mal, da musste man sich auf die „Papierform“ verlassen, sprich den Strassenverlauf auf der Karte. Glücklicherweise ist das bei dieser Planung hier in großen Teilen sehr gut gelungen. Die besten Abschnitte möchte ich Euch vorstellen.
Lost in Erzgebirge
Meine Runde ins Erzgebirge begann ich in Heidenau, von dort aus konnte ich bei wenig Verkehr die schöne Strecke durch das Müglitztal über Glashütte, Bärenstein bis Altenberg. Die ca. 35 Landstrassenkilometer bieten einem viele schöne Kurven, vor allem vor und hinter Glashütte reiht sich eine an die andere. Zum Teil sind die Radien etwas enger und die Strasse etwas schmaler gebaut, aber dann kommt man auch nicht in die Verlegenheit, das Tempolimit von 80 km/h zu überschreiten, das reicht bei der Strecke allemal.
Ab wann beginnt etwas eigentlich eine Tradition zu werden? Wenn man etwas zum zweiten Mal macht? Setzen wir das mal ans Mindestanforderung fest, dann setzen Thomas und ich unsere Tradition der Saisoneröffnungs-Tour im Mai fort. Nach der Riesengebirgstour im letzten Jahr werden wir dieses Jahr am dritten Maiwochenende die Mittelgebirgstour starten. Enthalten sind Erzgebirge, Bayrischer und Thüringer Wald, Rhön und Rennsteig.
Unser Duo wird zum Trio, denn Sebastian wird uns begleiten und mit Thomas die An- und Abfahrt aus München gemeinsam unter die Reifen nehmen, während ich alleine aus Berlin „runterfahre“.
Entsprechend ist für mich der erste Tag eine Solofahrt, die mit zwei Stunden Autobahn schrubben nach Dresden anfangen. Nach einem kleinen Besuch bei Freunden zur ordnungsgemäßen Besichtigung des Nachwuchses fahre ich bei Dohna ins Müglitztal über Glashütte nach Altenberg. Einen Teil dieser Strecke fuhr ich bereits im letzten Jahr bei meiner Dresdner Feierabendtour. Die Kurven werden gut tun nach den 200 Kilometern Autobahngeschrubbe .
Hinter Altenberg folge ich der deutsch-tschechischen Grenze und wurschtel mich dann über beiden Länder über den Erzgebirgskamm. Über Neuhausen, Olbernhau und Vejprty erreiche ich schließlich in Oberwiesenthal den Fichtelberg, die höchste Erhebung im Erzgebirge mit 1.214 Metern. Dies wird auch der höchste Punkt der Tour sein, denn die übrigen Mittelgebirge können dem nichts entgegensetzen.
Hinter Oberwiesenthal geht es dann durch den tschechischen Nationalpark Božídarské rašeliniště (toller Name, oder?) durch das Hinterland Richtung Kraslice. Langsam lass ich hier dann das Erzgebirge hinter mir und fahre durch das Vogtland weiter über Schöneck und Oelsnitz zum Tagesetappenziel Blankenberg in Thüringen. Dort warten dann hoffentlich schon Thomas und Sebastian mit einem kühlem Bier auf mich, denn 500km mit 8 Stunden im Sattel machen durstig. Hier die Tagesetappe im Überblick:
Nun sollte es endlich gemeinsam losgehen auf den eigentlichen Part der Riesengebirgstour. Thomas hatte seine Anreise nach Dresden auf zwei Tage verteilt und hatte schon einiges an Strecke durch den Bayrischen Wald hinter sich. Gegen Thomas VFR (Baujahr 1990) war meine F650 GS (Baujahr 2002) voll das junge Küken.
Wir verliessen Dresden Richtung Pirna, unser erstes Ziel war die Bastei, eines der Wahrzeichen der Sächsischen Schweiz. Die Felsformationen überhalb der Elbe boten trotz trüben Wetters einen tollen Ausblick rüber in die Tschechei, wo schon dunkle Wolken für den späteren Tagesverlauf nichts gutes verhiessen.
Von der Bastei aus ging es weiter Richtung Bad Schandau, aber nicht auf der direkten Route sondern über Hohnstein und Porschdorf. Warum zeigt euch das folgende Video von Kamerakind Thomas:
Na, grinst ihr auch so wie wir? Aber es wurde noch besser.
Hinter Bad Schandau fuhren wir an der Elbe entlang und kreuzten in Hřensko die deutsch-tschechische Grenze. Der Ort ist an sich eher unscheinbar, bis plötzlich zwischen zwei Felsen eine Strasse abzweigt. Hier windet sich der Fluss Kamenice ins Tal bis er in die Elbe mündet. Entlang des Flusses schmiegen sich nette alte Häuschen an die Felswände. Aber vor allem führt einen die Strasse in die Böhmische Schweiz. Schon von der Papierform her versprach dieser Streckenabschnitt zwischen Hřensko und Chřibská interessant zu werden, aber was wir hier erlebten toppte alle Erwartungen. Eine schmale Strasse wand sich bergauf und bergab durch alte Tannenwälder, zwischendrin durchquerten wir Ortschaften, wo gefühlt seit 100 Jahren die Zeit stehen geblieben war.
Diese 23 Kilometer sollten mit die tollsten sein, die wir auf der gesamten Tour fuhren.
Weiter ging es über die gut ausgebaute aber auch etwas langweilige Europastrasse 142 Richtung Rynoltice, wo wir dann rechts abbogen, um über Knzany die Anfahrt auf den Hausberg von Liberec, den Ještěd zu gelangen. Mit 1.012 m ist er die höchste Erhebung im Jeschkengebirge in Nordböhmen. Leider hatte es schon auf der Strecke angefangen zu regnen und je näher wir dem Ještěd kamen, desto intensiver wurde der Regen und mit jedem Höhenmeter kam noch mehr Nebel dazu. Eigentlich eine Schande, denn die Auf- und Abfahrt zum Ještěd ist sehr gut ausgebaut (im Gegensatz zu anderen Landstrassen, die wir auf dem Weg dahin nahmen). Aber ohne Sicht und mit nasser Strasse war das Kurvenvergnügen nicht existent. Vor der Anfahrt zum Gipfel diskutierten Thomas und ich kurz, ob wir überhaupt ganz auf den Berg hochfahren sollten. Aber nun da wir eh da waren wollten wir auch rauf. Starke Winde, kaum Sicht, mehr als den zweiten Gang und 40 km/h waren für den Aufstieg nicht drin. Kaum waren wir auf dem Gipfelparkplatz befanden wir die Idee als Scheisse und kehrten gleich wieder um. Zumal es wirklich quer regnete und windete.
Der Regen sollte uns den Rest des Tages begleiten, so daß das hier als Symbolbild für den Nachmittag durchgehen könnte:
Nach einer stärkenden Pizza in Liberec nahmen wir die weitere Strecke in Angriff, es ging Richtung Tanvald und Harrachov, kurz vor Harrachov rechts abgebogen weiter in Richtung Spindlermühle. Thomas hatte die Uschi angeschmissen und wir fuhren über anfangs sehr starke befahrene Landstrassen, später wurden wir auf einer sehr schönen kurvenreichen Waldstrecke immer wieder von Baustellen ausgebremst. Leider waren hier auf den Strassen immer wieder Rollsplit oder Teerfugen, mit denen Risse in der Strasse ausgebesser wurden, anzutreffen. Gerade auf diesen vom Regen nassen Fugen versetzte das Hinterrad in Kurven immer wieder, was das Fahren nicht angenehmer machte.
Die Routenplanung (also mein Kartenausdruck von Google Maps sowie beide Navis) sagen vor, das Tal Richtung Vitkovice hoch zu fahren, dort über den Bergkamm weiter und dann nach Spindlermühle zu kommen. Wir folgten artig der Route und liessen uns auch nicht irritieren, als die Strassen immer enger und ungeteerter wurden. Was uns dann doch skeptisch machte war das Schild, welches sowohl Autos als auch Motorrädern die Weiterfahrt verbot. Bei den schlechten Witterungsverhältnissen wollten wir keine Experimente wagen. Zudem war ich auch ziemlich durch, so daß wir uns entschlossen, Spindlermühle Spindlermühle sein zu lassen und den direkten Weg zu unserer Pension nach Žacléř zu fahren, wo uns eine warme Dusche, Heizung zur Trocknen der Klamotten sowie diverse Biere erwarteten:
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